Segundos

AUTOR UND SCHAUSPIELER

„Segundos“ ist ein Solo, das ich als Hommage an den Lebensweg meiner Eltern geschrieben habe. Dieses Schauspiel bietet die Gelegenheit, über die Migration in der Schweiz zwischen den 70er Jahren und heute auf eine unterhaltsame Weise nachzudenken.

Segundos sind die Kinder von Einwanderern, die als „zweite Generation“ bezeichnet werden, d. h. die in den 1970er- und 1980er-Jahren in der Schweiz geboren wurden oder als Kinder in die Schweiz kamen.

Ich erzähle Ihnen liebevoll, aufrichtig und mit viel Humor von meinem Dasein als doppelter „Segundo“ (halb Spanier, halb Deutschschweizer) unter den französischsprachigen Bielern.

Ich erzähle von meinen Kindheitserinnerungen zwischen Flamenco und Jodeln. Ich nehme Sie mit auf eine Reise, die über die Kanarischen Inseln bis ins Entlebuch führt. Ich kehre zu den Spielplätzen meiner Kindheit zurück, das waren die Schlachthöfe von La Chaux-de-Fonds, die Keller von Freixenet in Tarragona, das Spielfeld des F.C. Aurore Bienne, die Playa del Inglés und natürlich die Familienfabrik der Chorizos Carisa in Cortébert.

Ich spreche von den Zeiten, in denen ich mich anders fühlte als meine Klassenkameraden. Pas mieux, mais différent. Kleine Dinge, die uns manchmal trennten, obwohl wir am selben Ort geboren wurden.

Die „Segundos“ im Raum werden sich sicher erinnern, ähnliche Momente erlebt zu haben. Die anderen Zuschauer werden für eine Stunde in das Leben dieser Schulfreunde schlüpfen, die zuhause mit ihren Eltern eine andere Sprache als Französisch gesprochen haben.

Lachen mit den nostalgischen Farben eines Super-8-Films

Ich bin sicherlich nur einer der vielen „Segundos„, die die Schweiz zu einem multikulturellen Land machen. Ich statuiere ein Exempel, wohl wissend, dass in jedem Segundo eine faszinierende Geschichte steckt. Ich übernehme gerne die Rolle des Sprechers der Schweizer Segundos-Gemeinschaft. Dies gibt mir Gelegenheit, mich in den Mittelpunkt der Integrationsdebatte zu stellen, indem ich einen fröhlichen Abend statt einer hitzigen Debatte vorschlage.

Der Plural im Titel „Segundos“ ist eine Anspielung an meine mehrfache Herkunft sowie auf die zwei Versionen des Stückes (Französisch und Schweizerdeutsch).
Dieses Schauspiel richtet sich an ein Publikum jeder Altersgruppe.

Für ihre wertvolle Zusammenarbeit danken möchte ich Jean-Luc Barbezat, der mich während des gesamten Schreibprozesses coachte und sich in die kleinsten Details des Textes vertieft hat, und Carlos Leal, der mir die Ehre erwies, die Musik für dieses Schauspiel zu komponieren. Ich danke Aurélie Candaux, die sofort von der Idee begeistert war, es zu vermarkten.

Regie: Jean-Luc Barbezat

Der Götti von Segundos spricht:

Balthasar Glättli

Nationalrat GRÜNE

Niemand antwortet auf die Frage «Wer bist Du?» nur mit einer einzigen Eigenschaft. Identität hat viele Facetten. Ich bin zu gleicher Zeit Mann, Zürcher, Politiker, unbegabter Terrassenhobbygärtner, Schweizer, Zürichdeutsch-Sprechender, Computer-Freak, Vater, aus der Kirche ausgetreten, an Ideen des religiösen Sozialismus interessiert, Grüner, Website-Programmierer, Freund, Europäer, Bruder, … Je nach Situation ist die eine oder die andere oder eine dritte und vierte Seite von mir wichtig.

So ist wohl auch Carlos Henriquez als doppelter „segundo“ (halb spanisch, halb schweizerdeutsch) unter den französischsprachigen Bielern auch je nach Situation ein anderer. Hat eine andere Identität, die im Vordergrund steht.

Was könnte das für die Integration und die Integrationspolitik in der Schweiz heissen? Für mich dreierlei – und ich denke Carlos Henriquez lässt uns das alles mit einem Lachen in seinem Stück “Secundos” erleben:

Erstens sollten wir versuchen, gegenseitig offen miteinander umzugehen – die gemeinsamen Teile unserer «Identität» suchen und nutzen zur Verständigung. Zweitens haben die realen Integrationsprobleme, der reale Ärger mit der ausländischen Nachbarin oder dem ausländischen Mitarbeiter oft weniger mit tiefen kulturellen Unterschieden zu tun. Sondern mit Missverständnissen und Unkenntnissen über einfache Alltagsdinge. Wie man in der Schweiz den Abfall entsorgt. Wie die Waschküchenordnung aussieht. Da braucht es keine teuren Kampagnen, da hilft manchmal einfach Klartext. Nicht belehrend.

Mit Humor werden solche Missverständnisse geklärt, wenn man miteinander übereinander lachen kann – und damit auch über sich selbst. Drittens heisst Integration weder Anpassung noch simples Multikulti-Nebeneinander. Sondern das nicht immer einfach Suchen nach einer gemeinsamen Zukunft, welche Menschen nicht auf ihren Rucksack, ihre Herkunft reduziert, sondern ihre Wünsche, Fähigkeiten ernst nimmt.